
Interview mit Marc Bürvenich, Projektleiter Deloitte
Marc Bürvenich leitet bei Deloitte den Bereich Defense innerhalb des Sektors Defense, Security und Justice. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Verteidigungsumfeld sowie in der Luftfahrtindustrie und war als Projektleiter in nationalen und internationalen Projekten für oberste Bundesbehörden sowie die Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie tätig. Er ist Experte für den Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme zur Sicherung kritischer Infrastrukturen. Marc verfügt über viele Jahre Auslandserfahrung durch Einsätze u. a. in Westafrika, dem Mittleren Osten und dem Balkan.

Quelle: Deloitte
Marc, du bist seit mehr 20 Jahren bei der Bundeswehr, zuerst im aktiven Dienst, seit einigen Jahren als Reserveoffizier. Du warst auch bei verschiedenen Auslandseinsätzen dabei, in Bosnien, Kosovo und anderen Regionen. Was bedeuten dir die Invictus Games persönlich?
Marc Bürvenich: In den USA gibt es mit den US Warrior Games bereits seit 2010 eine jährliche Veranstaltung, die gleich im Geist ist, aber national durchgeführt wird. Seit Prinz Harry 2014 die Invictus Games ins Leben gerufen hat, ist Deutschland mit einem Team dabei.
Die Invictus Games – und insbesondere die Möglichkeit für deutsche Soldatinnen und Soldaten teilzunehmen – bedeuten mir persönlich unendlich viel. Für unzählige Kameraden ist Sport – und der sportliche Wettkampf – ein Weg, die psychischen Belastungen, die sich aus Verwundungen ergeben, zu besiegen und Wert und Sinn im Leben zu finden.
Es ist toll zu sehen, dass es mit den Invictus Games ein Forum gibt, wo sie zeigen können, dass wir weiter zusammengehören und dass sie trotz aller Verwundungen weiterhin zu Höchstleistungen in der Lage sind. Sie alle haben unseren höchsten Respekt verdient und dies ist der richtige Anlass dafür. Umso glücklicher bin ich, dass ich dieses Herzensprojekt auf Seiten von Deloitte leiten darf.
Du warst mehrmals in Auslandseinsätzen und das in verschiedenen Regionen und Funktionen. Was hat das mit dir gemacht? Hat es dich verändert?
Marc Bürvenich: Ich war in verschiedenen Krisenregionen eingesetzt und habe dort Dinge erlebt und gesehen, die ich mir vorher so nicht vorstellen konnte. Natürlich verändert das einen. Diese Eindrücke haben mich reifen lassen – und sie haben meinen Blick auf unser tägliches Leben in Deutschland verändert. Ein neues Maß an Dankbarkeit dafür, dass wir in Deutschland schon so lange Zeit in Frieden leben durften, und eine erhöhte Aufmerksamkeit.
Kannst du dich an besonders einschneidende Erlebnisse erinnern?
Marc Bürvenich: Im Kosovo haben wir mit unserem internationalen Team im HQ KFOR aus Pristina heraus humanitäre Einzelmissionen durchgeführt. Wir haben z.B. eingehende Sachspenden von Hygieneprodukten über Bekleidung bis hin zu Spielwaren nach durchgeführten Erkundungen passend für Familien in Bergdörfern zusammengestellt und per Konvoi persönlich geliefert und übergeben. Hierbei haben wir von tiefer Dankbarkeit bis zu aggressivem Neid auf andere Belieferte alles erfahren und sind mehrmals von Personen angegriffen worden, die unsere Hilfsgüter stehlen wollten. Dieser extreme Kontrast und die Bereitschaft, seine Forderungen mit Waffengewalt erpressen zu wollen, waren bei mir prägend für diesen Einsatz.
Generell wird man bei Einsätzen mit Tod, Verletzungen und Verwüstung konfrontiert. Ich habe Kameraden sterben gesehen oder habe miterlebt, wie sie verletzt wurden und wie sie sich danach wieder mühsam ins Leben zurückkämpfen mussten. Das lässt einen nicht mehr los.
Du kennst sicher viele Veteranen, mit denen du zusammen gedient hast. Wie geht es denen, vor allem denen, die Verwundungen davongetragen haben?
Marc Bürvenich: In meinem direkten Umfeld haben, Gott sei Dank, fast alle wieder in ihr „normales“ Leben zurückgefunden. Leider habe ich aber einige Kameraden, für die die Rückkehr sehr problematisch geworden ist. Nur wenige Menschen können mit der Einsatzerfahrung wirklich „etwas anfangen“, sie nachvollziehen.
Nach vielen Jahrzehnten ohne Kriegserfahrungen in Deutschland ist die Realität der Einsätze so weit von der Lebensrealität im Heimatland entfernt, dass echtes Verständnis für die Situation schwerfällt. Für viele Kameraden ist bereits der tägliche Anblick zerstörter Wohngebäude, nicht funktionierender Infrastruktur und öffentlicher Dienste, wie fließendes Wasser, Strom oder auch die Müllabfuhr eine starke mentale Belastung, die in dieser Form nicht vorhersehbar ist. Von außen betrachtet erscheinen derartige Erlebnisse als marginal und das „Erleben“ durch Fernsehberichte oder Streaming Videos kann die Intensität der Gefühle im Einsatz nicht ansatzweise vermitteln.
Außerdem standen und stehen Mitmenschen in Deutschland den Einsätzen oft kritisch oder gar ablehnend gegenüber. Dies hat zu einer Form von Sprachlosigkeit auf Seiten betroffener Einsatzrückkehrer geführt und teilweise ein Distanzierungsgefühl zur Gesellschaft ausgelöst. Die Frage, ob sich Politik oder Gesellschaft für die Erlebnisse von Einsatzrückkehrern interessieren und wie sie ihnen begegnen, insbesondere denen, die körperlich oder seelisch verletzt zurückkehren, haben eine gesamtgesellschaftliche Relevanz.
Nicht jedem Veteranen sieht man seine Verletzung an. Belastungsstörungen und psychische Probleme sind nicht sofort sichtbar, können einem das Leben aber zur Hölle machen. Ich kenne Fälle, in denen ehemalige Kameraden damit nicht klargekommen sind und nur noch einen Ausweg sahen, nämlich ihr Leben zu beenden.

Quelle: Deloitte
Die Invictus Games wollen ein Zeichen setzen für den Umgang mit Veteranen. Zum einen für den Umgang mit Verwundungen, seien es körperliche oder seelische. Zum anderen für den Übergang in ein ziviles Leben. Was können die IG da bewirken?
Marc Bürvenich: Die Invictus Games können ein Katalysator für die Auseinandersetzung der Gesellschaft und der Politik mit dem Thema Einsatzrückkehr sein. Die öffentliche Wahrnehmung von Einsatzversehrten und Veteranen in dem positiven Umfeld eines sportlichen Wettkampfes, der gleichzeitig Motivation und Lebensfreude für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bringt und den gesellschaftlichen Diskurs anregt, ist ein großer Gewinn für alle Veteranen. Für alle anderen ist sie eine Gelegenheit, direkt mit Betroffenen zu sprechen – nicht nur aus Deutschland, sondern aus allen Teilnehmernationen. Auf diese Art werden vielleicht auch Arbeitgeber positiv für die Unterstützung von Veteranen motiviert. In meinem Team haben wir mehrere Einsatzveteranen für die Arbeit bei Deloitte gewinnen können und wir wachsen weiter.
Wie war der Übergang in das zivile Berufsleben für dich?
Marc Bürvenich: Ich war vor meinem Eintritt in die Bundeswehr bereits selbstständig tätig. Da meine Karriere bei der Bundeswehr als Wehrpflichtiger anfing und ich mich in dieser Zeit für den Laufbahnwechsel entschieden habe, hatte ich das Privileg, den Kontakt zum zivilen Berufsleben nie zu verlieren. Auch unterstützt die Bundeswehr über den Berufsförderungsdienst den Übergang. Da ich in der Beratung im Verteidigungssektor unterwegs bin, hat sich die Umstellung auch recht einfach gestaltet.
Du bist jetzt seit rund zwei Jahren bei Deloitte. Helfen dir deine Erfahrungen, die du bei der Bundeswehr und deinen Einsätzen gemacht hast, auch im Job?
Marc Bürvenich: Auf jeden Fall. Meine militärische Expertise und die Erlebnisse aus Dienst und Einsatz tragen entscheidend zu meiner täglichen Arbeit bei. Sie ermöglichen mir ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Truppe. Mein Team und ich wissen deshalb sehr gut, wie man Verteidigung auf allen Ebenen z.B. mit digitaler Transformation oder Cyber Strategy effektiver machen kann. Und auch in der Beratung gilt: Du musst gut organisiert und diszipliniert sein, damit die Projekte erfolgreich abgeschlossen werden.
Wie wirst du die Invictus Games erleben? Hast du persönliche Highlights im Programm?
Marc Bürvenich: Ich werde fast während der ganzen Zeit persönlich vor Ort sein und die Gelegenheit nutzen, einige Wettbewerbe zu besuchen und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anzufeuern. Besonders freue ich mich auf die Opening Ceremony mit allen Nationen und sportlich gesehen auf die Schwimmwettbewerbe. Außerdem bin ich gespannt darauf, viele interessante Menschen zu treffen. Am liebsten am Stand von Deloitte, wo ich oft sein werde.
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