Ein Volunteer
mit doppelter Mission

Thorsten geht dahin, wo man ihn braucht. Auch an Orte, die anderen Angst machen.

Es sind Menschen wie Thorsten, die die Invictus Games so besonders machen. Freiwillig ist er als mobiler Sanitäter mit seiner Kollegin Alex hierhergekommen. Thorsten ist im Alarmfall sofort zur Stelle. Für Alle. Und er hat einen sechsten Sinn für Situationen, in denen es um Leben und Tod geht. Das wurde ihm einmal zum Verhängnis.

Thorsten ist ein Soldat wie ein Baum. Er erinnert an den Song „Camouflage“ von Stan Ridgway und erzählt in überraschend sanfter Stimme: Die Bundeswehr hat ihn nie ganz losgelassen. Er war Zeitsoldat, Reservist, kurzzeitig Zivilist und dann schließlich Berufssoldat, seine eine Berufung. Daneben geht er seit der Jugend als Rettungstaucher auf die Suche nach Vermissten. Oder ist als Volunteer im Sanitätsdienst bei den Invictus Games tätig. Schon immer engagierte er sich für andere und half dort, wo er konnte. Als Sanitätsausbilder will er seine Erfahrung und seine Leidenschaft weitergeben. Er strahlt. Man spürt, er hat den Blick bewahrt für das Gute im Mitmenschen. Außerdem, so sagt er schmucklos: “Ich bin mein Leben lang da hingegangen, wo es wehtut.”

Medizinisches Personal bei den Invictus Games

Es waren die besondere Kameradschaft und Verlässlichkeit, die ihn so sehr an der Bundeswehr begeisterten, besonders im harten Auslandseinsatz. Wenn es darauf ankommt, gibt man für seine Kameraden alles. Und weiß, dass man etwas zurückbekommt. Ein Virus, der sich nur schwerlich abschütteln lässt. Mit 11 Einsätzen und fast 800 Tagen in Afghanistan sagt er überzeugend: “Wollen ist gut, nur machen ist besser.”

2009 erlebte er ein Gefecht im Einsatz in Kunduz. Die Einheit hat den Angriff abgewehrt, aber es gab zivile Opfer. Thorsten erzählt und wirkt noch immer erschüttert: “Jeder Soldat hätte hier gleich entschieden. Aber die Politiker forderten rollende Köpfe und (Anmerkung: er ringt kurz um Fassung) wir haben geliefert. Und geweint. Der Rest ist traurige Geschichte.”

Thorsten machte weiter: „Ich musste und wollte in Bewegung bleiben. Kunduz, dachte ich, ist abgehakt. Doch nach zwölf Jahren kam ich wieder aus einem Einsatz und dann ging’s los. Kurz vor dem Urlaub.“ Er wirkt jetzt angespannt, als er von einer weit entfernten Explosion sprich – nicht laut, nicht gefährlich, weitermachen. Dachte er. Aber wer eine Posttraumatische Belastungsstörung kennt, weiß, es ist genau dieser eine Ton und diese eine Schwingung, die jetzt das Tor zur Hölle öffnet: „Tagsüber habe ich irgendwie funktioniert. Doch jede Nacht kam die Endlosschleife. Der zwölf Jahre alte Film aus Kunduz. Drei Wochen lang, bis ich gleich nach dem Urlaub zum Arzt ging.“ Bei der Bundeswehr ist Thorsten leider kein Einzelfall. Der einzige Pluspunkt: Heute wissen die Kollegen der sympathischen “Doktor Alexandra” alle Bescheid, was zu tun ist und können helfen.

Für das 34-jährige Energiebündel Alexandra (offiziell ist sie Oberstabsärztin und Psychiaterin) „gehört PTBS mittlerweile zum Tagesgeschäft. Wir erkennen das sofort und machen uns mit unseren Patienten auf den Weg der Genesung. Der kann zwei Jahre dauern, aber wir kriegen gemeinsam hin.“

Medizinisches Personal bei den Invictus Games

Die beiden sind ein wunderbares Team – auch für unsere Invictus Games. Man spürt: Sie wollen für andere da sein, auch wenn es wieder einmal hart wird. Sie wissen, dass alte Erinnerungen zu Feinden werden können. „Thorsten macht es genau richtig: Mit der Unterstützung meiner Kollegen hat er sich nach über einem Jahr von der fürchterlichen Stresssituation abgetrennt“, sagt Alexandra. „Die Erinnerung ist nicht ausgelöscht, aber Thorsten hat sie aber an einen sicheren Ort in seiner Persönlichkeit abgelegt. Er hat Zugriff darauf, aber sie haben keine mehr auf ihn.”

Mindestens genauso wichtig wie die professionelle Therapie war für Thorsten seine Frau, die den ganzen Weg mit ihm gegangen ist. Denn viele Ehen zerbrechen in den dunklen Zeiten von PTBS und stoßen die Patienten ins Nichts. Beim Militär glaubt man eigentlich nicht an Wunder und dann passieren sie eben doch: Exakt zum Therapiebeginn taucht der vier Monate alte schneeweiße Kater „Flocke“ bei Thorsten vor der Haustür auf. Er war gekommen, um zu bleiben, wo man ihn am dringendsten braucht.

Es sind Menschen (und manchmal auch Tiere), die etwas zeigen: Es ist wichtig und tut gut, füreinander da zu sein. Dienstschluss und Zuständigkeit sind Fremdwörter für die beiden. Thorsten beweist, dass der Einsatz für Andere wie bei den INVCITUS GAMES DÜSSELDORF 2023 auch den Helfern etwas schenkt: Die Heilung unsichtbarer Wunden durch das Erleben der eigenen Selbstwirksamkeit. Darum ist er heute hier und taucht weiter für die Wasserwacht in das kalte Nass: „Da unten wartet auch Arbeit auf mich, vielleicht auch neue Dämonen. Mit denen komme ich klar!“

Autor: Emil Salzeder