
Wenn man Bundeswehrsoldat:innen fragt, dann haben viele das Gefühl, zu wenig Wertschätzung zu erfahren. Der Blick in andere Länder zeigt, wie Soldatinnen und Soldaten in Uniform zum Teil sehr vorteilhaft behandelt werden. Die Deutsche Bevölkerung ist da eher zurückhaltend. Was hat es damit auf sich?
Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) hat eine Studie zur Wertschätzung der Bundeswehr durch die deutsche Bevölkerung durchgeführt und überraschendes gefunden. Tatsächlich stehen die Deutschen zu ihrer Armee. Doch es fehlt an Wegen, um das auszudrücken.
Ein Gastbeitrag.

Gastbeitrag von Dr. Meike Wanner und Dr. Timo Graf (beide ZMSBw)
Nur eine geschätzte Bundeswehr kann erfolgreich sein.
Das Thema des gesellschaftlichen Ansehens besitzt aus Sicht der Bundeswehr besondere Relevanz, denn sowohl die Legitimation der Aufgaben durch die Bevölkerung als auch die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft stellen zentrale Zielsetzungen des Selbstverständnisses der Bundeswehr, der Inneren Führung, dar. Eine weitere zentrale Zielsetzung der Inneren Führung, die durch die beiden erstgenannten Aspekte beeinflusst werden kann, ist die Motivation, also die Bereitschaft der Soldatinnen und Soldaten zur Pflichterfüllung, zur Übernahme von Verantwortung sowie zur Bewahrung von Disziplin und Zusammenhalt in der Truppe. Wie eine Streitkräftebefragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) zur Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr aus dem Jahr 2016 feststellt, ist das alltägliche positive Erleben eines in der Öffentlichkeit angesehenen und geachteten Arbeitgebers für die befragten Soldatinnen und Soldaten auf Zeit, nach dem Wunsch sich mit den Zielen der Bundeswehr identifizieren zu können, der zweitwichtigste Grund, um sich für eine Vertragsverlängerung oder einen Antrag auf die Übernahme zum Berufssoldaten zu entscheiden.
Welche Wahrnehmung zum gesellschaftlichen Ansehen der Bundeswehr herrscht unter den Soldatinnen und Soldaten vor?
Soldat:innen fühlen sich größtenteils nicht ausreichend wertgeschätzt
Die empirischen Befunde der bundeswehrinternen Befragungen des ZMSBw der Jahre 2009 und 2013, die zu diesem Thema vorliegen, sind eindeutig: Lediglich 20 Prozent der befragten Soldatinnen und Soldaten sind mit dem Ansehen der Bundeswehr in der Gesellschaft zufrieden, 35 Prozent sind geteilter Meinung und 45 Prozent zeigen sich mit dem gesellschaftlichen Ansehen der Bundeswehr unzufrieden. Ähnlich verhält es sich mit dem Ansehen des Soldatenberufs in der Gesellschaft sowie der gesellschaftlichen Anerkennung für die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz. Lediglich 18 bzw. 14 Prozent der befragten Bundeswehrangehörigen zeigen sich mit diesen Aspekten zufrieden, 45 bzw. 58 Prozent unzufrieden. Für den Aspekt „Anerkennung und Respekt für den Dienst in der Bundeswehr durch die Mitbürger fördern“ sehen 82 Prozent der befragten Soldatinnen und Soldaten Handlungsbedarf, 13 Prozent sagen teils/teils und lediglich 5 Prozent sehen hier keine Notwendigkeit, aktiv zu werden. Die Menschen in der Bundeswehr fühlen sich selbst und ihren Berufsstand folglich wenig geachtet und respektiert. Zudem herrscht innerhalb der Bundeswehr die Wahrnehmung vor, dass es dem Militär in Deutschland an Ansehen und substanzieller Unterstützung mangelt.
ISAF Soldat:innen fühlten zu wenig Rückhalt.
Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Langzeitbegleitung des 22. Kontingents des ISAF-Einsatzes verdeutlichen zudem die Bedeutung der wahrgenommenen gesellschaftlichen Akzeptanz und Unterstützung gerade für die Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz. 92 Prozent der Befragten stimmen zu, dass der Rückhalt der deutschen Bevölkerung für den ISAF-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wichtig ist. Jedoch haben nur 8 Prozent der befragten Einsatzsoldaten das Gefühl, dass sie von der deutschen Bevölkerung Wertschätzung erfahren, 27 Prozent sagen teils/teils und 65 Prozent empfinden seitens der Bevölkerung keine Wertschätzung für ihren Dienst im Auslandseinsatz. Dies ist misslich, weil sich die wahrgenommene gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung nachweislich auf die soldatische Motivation auswirkt.
Insgesamt verdeutlichen die dargestellten empirischen Studienergebnisse, dass offenbar unter einem Großteil der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr die Wahrnehmung vorherrscht, dass es ihnen und der Bundeswehr in Deutschland an Ansehen und substanzieller Unterstützung mangelt.
Wie steht die Bevölkerung zur Bundeswehr und ihren Soldatinnen und Soldaten?
Diese Einschätzung verblüfft, denn die seit 1996 erhobene und repräsentative Bevölkerungsbefragung des ZMSBw zeichnet ein gänzlich anderes Meinungsbild in der Bevölkerung, welches sich auch in den Ergebnissen der aktuellen Erhebung aus dem Jahr 2021 widerspiegelt: Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung vertraut der Bundeswehr (85 Prozent), betrachtet sie als einen wichtigen Bestandteil der Gesellschaft (74 Prozent) und bringt sowohl der Bundeswehr als auch den Soldatinnen und Soldaten persönlich ein hohes Ansehen entgegen (59 bzw. 60 Prozent). Seit dem Jahr 2000 geben mindestens drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger an, eine positive Einstellung zur Bundeswehr zu haben (vgl. Abbildung 1).


Die Realität: die Deutschen stehen mit Masse hinter ihren Streitkräften
Auch die Leistungen der Bundeswehr in ihren Einsätzen im Inland (79 Prozent) und im Ausland (61 Prozent) werden 2021 (und auch in den Jahren zuvor) von einer klaren Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger positiv beurteilt. Die Bundeswehr als staatliche Organisation und gesellschaftliche Institution wird, entgegen der Meinung vieler Soldatinnen und Soldaten, von den allermeisten Deutschen geschätzt.
Die große Wertschätzung der deutschen Bevölkerung für ihre Streitkräfte kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Mehrheit eine Vielzahl von Maßnahmen zur Unterstützung von Veteranen der Bundeswehr befürwortet (vgl. Abbildung 2). Mit Abstand am größten ist die Zustimmung zu praktischen Unterstützungsmaßnahmen für Veteranen, die im Dienst physische oder psychische Schäden erlitten haben: 85 Prozent der Befragten sprechen sich für eine besondere medizinische Versorgung aus und 84 Prozent für eine lebenslange soziale Absicherung. Auch spezielle Betreuungsangebote für die Familien von Veteranen erfahren viel öffentlichen Zuspruch (74 Prozent). Die Einladung von Veteranen zu öffentlichen Veranstaltungen mit Symbolcharakter (67 Prozent) und die öffentliche Verleihung von Veteranenabzeichen, Orden oder Medaillen (65 Prozent) werden ebenfalls mehrheitlich begrüßt. Insgesamt plädiert also eine klare Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dafür, den Veteranen der Bundeswehr mehr öffentliche Anerkennung und praktische Unterstützung zukommen zu lassen.
Die Deutschen in der Schweigespirale?
Die repräsentativen Bevölkerungsbefragungen zeichnen ein positives Meinungsbild: Die Bundeswehr ist gesellschaftlich anerkannt. Dennoch nehmen viele Soldatinnen und Soldaten die öffentliche Meinung über die Bundeswehr als eher kritisch wahr und vermissen gesellschaftliche Anerkennung. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?
In ihrer Theorie der öffentlichen Meinung postuliert Elisabeth Noelle-Neumann, dass die Menschen ihre Umwelt fortlaufend beobachten, um sich darüber klar zu werden, welche Meinungen man problemlos äußern kann und mit welchen Meinungen man Gefahr läuft, sich sozial zu isolieren. Öffentliche Meinung fungiert in dieser Vorstellung als eine Form sozialer Kontrolle oder auch als „soziale Haut“. Dabei müssen die wahrgenommenen Mehr- und Minderheitsverhältnisse bestimmter Meinungen nicht unbedingt mit den tatsächlichen Verteilungen übereinstimmen. Auch die unterschiedliche Sichtbarkeit der beteiligten Meinungslager ist für die Meinungsklimawahrnehmung relevant. Dies kann dazu führen, dass eine Mehrheitsmeinung zu einem bestimmten Thema fälschlicherweise als Minderheitsmeinung wahrgenommen wird und umgekehrt. Ein Phänomen, welches Noelle-Neumann im Rahmen ihrer Theorie der öffentlichen Meinung mit der Schweigespiralhypothese untersucht. Diese besagt, dass Menschen in Schweigen verfallen, wenn sie glauben, dass ihre Meinung nicht der gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung entspricht.
Um herauszufinden, wie es um die öffentliche Rede- oder auch Bekenntnisbereitschaft der Bevölkerung zum Thema Bundeswehr steht, wurde zuletzt im Jahr 2018 erfragt, ob die Bürgerinnen und Bürger unterschiedliche Aktivitäten mit Bundeswehrbezug in den letzten 12 Monaten durchgeführt haben. Es zeigt sich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger häufiger dann für die Bundeswehr einsetzen, wenn es sich um eine kleine Öffentlichkeit, wie z.B. in einer Gesprächssituation handelt (Widersprochen, wenn jemand schlecht über die Bundeswehr redete: 22 Prozent; Jemanden, der Soldat bei der Bundeswehr werden wollte, in seinem Wunsch bestärkt: 20 Prozent). Mit zunehmender Öffentlichkeit und dadurch steigender Sichtbarkeit des eigenen Handelns schwindet hingegen auch die Bereitschaft, bundeswehrbezogene Aktivitäten durchzuführen (Teilnahme an Veranstaltungen der Bundeswehr: 4 Prozent; Tragen von Anstecknadeln oder Anbringen von Aufklebern zur Unterstützung der Bundeswehr: 2 Prozent). Insgesamt wird also die grundsätzlich positive Haltung zur Bundeswehr, die auf der persönlichen Ebene vorherrscht, nur von maximal einem Fünftel der Bundesbürger auch in unterstützende und öffentlich sichtbare Handlungen umgesetzt, die auch für die Soldatinnen und Soldaten erfahrbar wären.
Die Mehrheit schweigt – was tun?
Es müssen keine Maßnahmen ergriffen werden, um langfristig auf die Einstellung der Bevölkerung zu ihren Streitkräften einzuwirken, sondern vielmehr sollte daran gearbeitet werden, dass Bevölkerung und Bundeswehrangehörige auch wahrnehmen wie positiv die Mehrheit der Deutschen der Bundeswehr bereits seit vielen Jahren gegenübersteht. Die „guten Zahlen“ zur öffentlichen Meinung über die Bundeswehr liegen schon seit Langem vor, nur müssen sie auch effektiv kommuniziert werden – in Truppe und Gesellschaft. In dieser Hinsicht sollte dem aktiven Wissenstransfer zukünftig mehr Bedeutung beigemessen werden, als dies bisher der Fall war.
Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung stellen sicherlich auch Veranstaltungen wie die Invictus Games und der jährliche Tag der Bundeswehr dar, um Bundeswehr und Gesellschaft einander näher zu bringen und gleichzeitig dem Einzelnen, egal ob Bürger oder Soldat, eindrücklich zu vermitteln, dass er mit seiner positiven Haltung zu den deutschen Streitkräften nicht alleine ist. Die positive Haltung der „schweigenden Mehrheit“ zur Bundeswehr muss stärker persönlich erfahrbar und weniger medial vermittelt werden. Es bleibt zu hoffen, dass solche Veranstaltungen dazu beitragen, dass sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Soldatinnen und Soldaten dazu ermutigt werden, häufiger auch in der Öffentlichkeit ihre positive Haltung zur Bundeswehr zu bekennen.
Literatur:
Graf, Timo, Steinbrecher, Markus, Biehl, Heiko & Scherzer, Joel (2022). Sicherheits- und verteidigungspolitisches Meinungsbild in Deutschland 2021. Ergebnisse und Analysen der Bevölkerungsbefragung. Forschungsbericht 131. Potsdam: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Graf, Timo (2021). Aus den Augen, aus dem Sinn? Die gesellschaftliche Einbindung der Bundeswehr 2005-2019. In: Zeitschrift für Innere Führung, Ausgabe 2/2021: 66–67
Graf, Timo (2020). Zur Integrationsfunktion der Inneren Führung: Eine empirische Betrachtung der öffentlichen Meinung zur gesellschaftlichen Einbindung der Bundeswehr von 2005 bis 2019. In: Hartmann, U. & von Rosen, C. (Hrsg.), Jahrbuch Innere Führung 2020 – Zur Weiterentwicklung der Inneren Führung: Themen und Inhalte (S. 105–122). Berlin: Miles-Verlag
Seiffert, Anja/Heß, Julius (2020): Leben nach Afghanistan. Die Soldaten und Veteranen der Generation Einsatz der Bundeswehr. Forschungsbericht 119. Potsdam: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Wanner, Meike (2019): Das Ansehen der Bundeswehr. Persönliche Meinung versus Meinungsklimawahrnehmung. Baden-Baden: Nomos-Verlag
Wanner, Meike (2019): Die Deutschen und die Bundeswehr. Die schweigende Mehrheit steht hinter den Streitkräften. In: Zeitschrift für Innere Führung, Ausgabe 1/2019: 53–59
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