
“Inklusion leben heißt: Nicht so viel reden, einfach machen – wie im Sport.”
Thomas Schmidberger ist Rollstuhl-Tischtennisweltmeister, mehrfacher Deutscher Mannschaftsmeister in der Rollstuhl-Bundesliga sowie aktueller Deutscher Meister im Einzel in seiner Wettkampfklasse. Mit seinem Verein Borussia Düsseldorf unterstützt er das Projektteam der INVICTUS GAMES DÜSSELDORF 2023 bei der Einführung und Umsetzung der neuen Sportart Tischtennis.
Tom Schmidberger (31) ist seit 2014 Tischtennisprofi in der Rollstuhl-Mannschaft von Borussia Düsseldorf. Der Verein ist nicht nur eine der erfolgreichsten Vereinsmannschaften Deutschlands, sondern engagiert sich seit vielen Jahren im Behindertensport. Im Interview spricht der Weltranglistenerste über die schnellste Ballsportart der Welt, die Kraft des Sports, seinen ersten Besuch der Invictus Games und wieso Inklusion eigentlich ganz einfach ist.

Tom Schmidberger (rechts) hat während eines Showmatches bei den Invictus Games 2022 in Den Haag mit Prinz Harry, Duke of Sussex und Gründer der Invictus Games (links), einen prominenten Partner im Doppel.
Quelle: Chris Jackson/Getty Images for the Invictus Games Foundation
Herr Schmidberger, wie sind Sie zum Tischtennis gekommen?
T. Schmidberger: Angefangen hat alles vor 19 Jahren an der Tischtennisplatte in der Schule. Am Anfang haben wir mit Büchern oder Handys als Schläger gespielt. Es hat mir Spaß gemacht und ich war von Beginn an recht gut – das spricht normalerweise für ein gewisses Talent. Zu Weihnachten habe ich meine erste Tischtennisplatte bekommen und von da an in der Garage gespielt. Über meinen Vater, der ebenfalls sportbegeistert ist, haben wir dann Kontakt zum Verein in der Nähe aufgenommen. Ich hatte Glück, dass es dort eine kleine Rollstuhl-Mannschaft mit sehr engagierten Mitgliedern gab. Diese waren immer auf der Suche nach Nachwuchs – und haben mich dann an die Hand genommen.
Was macht Tischtennis so attraktiv – und so inklusiv?
T. Schmidberger: Tischtennis ist die schnellste Ballsportart sowie die schnellste Rückschlagsportart der Welt ist. Das macht sie abwechslungsreich: Es gibt keine zwei exakt gleichen Ballwechsel, Bälle oder Schläge. Jedes Spiel ist anders und als Spieler oder Spielerin muss man sich blitzschnell auf neue Situationen einstellen. Tischtennis ist inklusiv, weil man nicht viel benötigt, um zu spielen. Das ist nur in wenigen Sportarten möglich. Man geht an die Platte und es ist vollkommen egal, ob die gegenüberstehende Person eine Behinderung hat oder nicht, oder eine andere Einschränkung hat. Man ist zu zweit, nimmt den Ball und zwei Schläger – und spielt. Das ist genauso simpel wie es klingt. Das Spiel ist selbsterklärend.
Sie sind seit vielen Jahren erfolgreich in der Weltspitze. Wie sieht Ihr Alltag aus?
T. Schmidberger: Morgens fahre ich wie andere Berufstätige auch zur „Arbeit“, zur ersten zweistündigen Trainingseinheit. Nach der Mittagspause folgt dann eine zweite Trainingseinheit. Diese ist im Vergleich zum eher allgemeinen Training vormittags deutlich individueller auf meine aktuelle Situation ausgelegt: Wie fit bin ich gerade, stehe ich vor einem Wettkampf, brauche ich verletzungsbedingt eine Reha? Abends steht dann beispielsweise noch eine Einheit im Kraftraum mit einer Regeneration im Eisbad oder Physiotherapie zum Cooldown an. Mit allen Terminen und Verpflichtungen neben dem eigentlichen Training bin ich selten vor 19 oder 20 Uhr zu Hause – und dann warten Partnerin, Hund und Haushalt auf mich. Mit meiner Partnerin hat sich mittlerweile eine gute Routine entwickelt, durch die wir zu zweit alles stemmen und ich mich trotzdem voll auf meinen Beruf und den Sport fokussieren kann.
Was bedeutet Sport für Menschen mit körperlichen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen?
T. Schmidberger: Sport kann eine politische Wirkung entfalten und Inklusion fördern. Er kann aber grundsätzlich allen Menschen im Alltag helfen. Durch Sport sind sie fitter, frischer, konzentrierter und leistungsfähiger. Die körperliche Belastungsgrenze steigt. Das gilt nicht nur für Profisportlerinnen und -sportler, sondern auch im Breitensport. Sport aus körperlichen Gesichtspunkten auszuüben ist die eine Seite. Hinzu kommt aber auch eine psychische Komponente: Durch Sport bekommt man nach einem stressigen Tag den Kopf frei, man kann wunderbar abschalten. Das kann sehr erfüllend sein. Beim Sport knüpft man zudem soziale Kontakte, denn viele Sportarten erfordern Teamfähigkeit und ein gutes Miteinander.

Gemeinsam mit Valentin Baus (vorne links) und Sandra Mikolaschek (vorne rechts) von Borussia Düsseldorf präsentiert Tom Schmidberger (hinten rechts) die neue Sportart Tischtennis während der Invictus Games 2022 in Den Haag.
Quelle: Chris Jackson/Getty Images for the Invictus Games Foundation.
Gemeinsam mit ihren Mannschaftskolleginnen und -kollegen Sandra Mikolaschek und Valentin Baus haben Sie 2022 die Invictus Games in Den Haag besucht, um die neue Sportart Tischtennis vorzustellen. Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen?
T. Schmidberger: Für uns waren die Spiele in Den Haag die ersten Invictus Games. Vor Ort waren wir von der Größe und guten Organisation der Veranstaltung absolut positiv beeindruckt. Zu diesem Zeitpunkt war der Krieg in der Ukraine gerade ausgebrochen. Bei den Spielen wurde die gesellschaftliche und politische Kraft des Sports sichtbar: Es waren nicht „die Ukraine und die anderen Nationen“, sondern die ukrainischen Sportlerinnen und Sportler waren ganz selbstverständlich mit dabei. Es war schön zu sehen, mit welcher Begeisterung die Menschen Sport gemacht haben. Aus der Perspektive eines Leistungssportlers begeistert mich an den Invictus Games, dass nicht die sportliche Leistung und der Erfolg im Vordergrund stehen, sondern die gemeinsame Ausübung von Sport und der Spaß dabei.
Die Invictus Games sind Bestandteil eines ganzheitlichen Rehabilitationskonzepts des Zentrums für Sportmedizin Bundeswehr. Tischtennis gehört bei den diesjährigen Spielen erstmals zu den Wettkampfsportarten. Wieso eignet sich Tischtennis aus Ihrer Sicht gut als Reha-Sport?
T. Schmidberger: Wenn alle anderen körperlichen Voraussetzungen stimmen, kann Tischtennis die Rumpf-, Rücken- und Schultermuskulatur stärken. Außerdem ist Tischtennis auch als „Kopfsportart“ bekannt. Denn Tischtennis fördert einerseits die Konzentration, andererseits die Körperkontrolle und hier ganz besonders die Hand-Auge-Koordination. Sportlerinnen und Sportler in Rehabilitation bekommen so ein Gefühl für ihren Körper und geben den Nervenstrukturen wichtige Impulse.
Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Inklusion im Bereich Sport und in der Gesellschaft? Was würden Sie sich wünschen?
T. Schmidberger: Die Antwort ist ganz einfach: Wie bei den Invictus Games auch, gilt das Handeln. Wir müssen viel mehr „machen“ und weniger reden. Ich kann mich jahrelang mit Inklusion beschäftigen und darüber nachdenken, welche Programme ich entwickeln, welche Stiftungen ich gründen oder welche Jobs ich inklusiv besetzen kann. Aber Pläne sind wertlos, wenn nichts umgesetzt wird. Wir müssen Inklusion einfach leben. Dabei fängt Inklusion nicht erst an, wenn wir Menschen mit Behinderungen fragen, ob wir ihnen am Bordstein helfen können. Inklusion ist, wenn der Bordstein bereits beim Bau der Straße abgesenkt wird. Vieles wird kompliziert gedacht und auch gemacht. Wir müssen schneller und zielstrebiger Taten folgen lassen. Das ist oft einfacher, als man denkt.
Wir bedanken uns bei Tom Schmidberger und wünschen ihm viel Erfolg für die kommenden Wettkämpfe – ganz besonders für die Tischtennis-Europameisterschaft im September 2023 in Sheffield und die Paralympics 2024 in Paris.
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